1 - 1 Tag nach Frühlingsanfang

Was hat es mit der Installation "Hemd mit Basecap" an der Wand meines Ateliers auf sich?

Diese Kleidungsstücke gehörten meinem besten Freund und sie standen ihm sehr gut. Er liebte das Meer und die verschiedenen Schattierungen des Wassers und umhüllte sich auf diese Weise mit den Farben und der Wirkung dieses wundervollen Elementes. Sie brachten ihn zum Leuchten und verliehen ihm eine Frische.

Heute, genau vor einem Jahr, beendete er sein Erdenleben. Er war mir 26 Jahre lang Freund und Mentor gewesen. Wir lebten eine Freundschaft mit Zuneigung, Tiefe und Herausforderung, mit Wachsen und Lernen und Reifen.

Schon früh war er von meinen künstlerischen Fähigkeiten überzeugt, unterstützte und ermutigte mich und übte einen belebenden Einfluss auf mein Wirken aus. Kurz vor seinem Tod, Anfang März 2017, als ich noch unentschieden war und plante, einen ganz anderen Weg zu gehen, schaute er mich lange an und sagte schließlich: "Meinst Du nicht, dass der Weg des Künstlers der eigentliche Weg für Dich ist?" Der Satz sank tief in mich hinein und stieg in den Monaten darauf immer wieder in mein Bewusstsein.

Als wir seine Wohnung ordneten, verspürte ich den Wunsch, diese beiden Kleidungsstücke zu behalten. Die ganzen Monate bis zum Einzug in mein Atelier lagen sie an meinem Leseplatz. Das Hemd zusammengerollt neben mir auf der Sitzfläche meiner Couch und das Basecap auf der Lehne. Eine ganze Weile roch ich jeden Tag daran, bis die Zeit die letzten Moleküle seines Geruchs davongetragen hatte.

Als ich mein Atelier einrichtete, wusste ich sofort, dass ich die Kleidungsstücke aufhängen möchte und zwar genau auf die Höhe seiner Körpergröße, 1,93m. So ist er in gewisser Weise immer noch physisch anwesend. Während meiner Schaffensprozesse lehne ich mich von Zeit zu Zeit mit dem Rücken dagegen und bitte um Hilfe, berate mich im Stillen. Das hat dann etwas Tröstendes. Oder ich lege meine Hand wie auf sein Herz und spüre unsere Verbindung.

Ich fühle Dankbarkeit für die Samen, die er zum Wachsen gebracht hat und Traurigkeit darüber, dass er nicht mehr weltlicher Zeuge meines Schaffens sein kann. Ich fühle eine Verpflichtung, das Geschenk jedes einzelnen Tages, den ich länger leben darf als er, dankbar anzunehmen und mit dem zu füllen, was sich form- und farbenfroh in mir bildet und nach außen drängt. Es wäre ihm eine große Freude, da bin ich mir ganz sicher.

So ist jetzt jeder Frühlingsanfang nicht mehr nur ein Abschied vom Winter, sondern auch immer wieder ein Abschied von ihm. Es ist nicht nur der Aufbruch der Natur in einen neuen Lebenszyklus, sondern auch eine Erinnerung an mich selbst, dass es immer weitergeht, unerwartet, unverhofft und überraschend.

Bis zum nächsten Mal,

herzlichst,

 

Petra Froese

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Kommentare: 5
  • #1

    Markus Golombek (Freitag, 01 Juni 2018 19:29)

    Wunderbar! Danke!

  • #2

    Vera (Freitag, 15 Juni 2018 11:14)

    Die schönen Worte und die künstlerischen Werke finden sofort den Weg in mein Herz!

  • #3

    Petra (Samstag, 16 Juni 2018 10:08)

    Sehr berührend. Durch deine Worte sehe ich die gemeinsame Zeit mit V manchmal in einem anderen Licht. Danke!

  • #4

    Peter (Sonntag, 17 Juni 2018 12:28)

    Du bist als Frau und Mensch immer noch so intensiv wie vor vierzig Jahren. Sehr schön.

  • #5

    John JUNG (Dienstag, 09 April 2019 09:58)

    Danke dass Sie diese Emutionen mit mir teìlen....