10 - Coffee Paintings - Wandel trotz Stillstand

 

 

 

 

 

 

 

Lockdown Nr. 1 begann am 16. März 2020, einen Tag vor der Vernissage zu meiner ersten großen Einzelausstellung in der Ortenburg in Bautzen. Ich fühlte mich plötzlich ausgebremst, nachdem ich wochenlang sehr aktiv gewesen war wegen der Vorbereitungen. Am 12. und 13. März hatte ich meine Acryl- und Seidenbilder in dieser wunderschönen Location gehängt, die Einladungen waren vor Wochen verschickt und die Musikerin gebucht. Tja, das Leben passiert, während wir Pläne machen.

 

In den darauffolgenden Wochen konnten mein Mann und ich wie viele andere stets lange frühstücken. Er begann eines Morgens, mit dem Rest seines Kaffees, der auch immer etwas Kaffeesatz enthält, in seiner Tasse Muster zu bilden. Ich ließ mich anstecken und so wurde es zu unserem gemeinsamen morgendlichen Projekt, dessen Ergebnisse wir auf Fotos festhielten. 

Nach ein paar Tagen wurde ich neugierig, wie sich dieser Kaffeerest wohl auf schwerem Aquarellpapier verhalten würde. Mit einem kleinen Rest des Kaffees aus der Kanne begann ich auf schwerem Aquarellpapier zu experimentieren und war spontan überwältigt von diesem neuen Medium. 

 

 

 

 

 

Coffee Painting N° 12 Schutz

Mein Forschergeist war geweckt und so sammelte ich Erfahrungen über Konsistenz, Stärke und Menge des Kaffees und die Verwendung des Kaffeesatzes, die reizvolle Unberechenbarkeit des Fließverhaltens, über das Sich-Wellen des Papiers und seiner Trocknungszeit. Dies führte zu immer neuem Umgang damit und zu der Entwicklung einer ganz eigenen Technik. Da sich die Bilder, die Kaffeesatz enthielten, nicht konservieren ließen, begann ich den Kaffee extra für die Bilder in verschiedenen Stärken zu kochen. Je stärker der Kaffee, umso dunkler und kontrastreicher die Bilder und im Gegensatz dazu, je leichter der Kaffee, umso heller und feiner die Bilder. 

 

 

 

 

 

Coffee Painting N° 41 ROOTS

Ich bin von Anfang an gar nicht auf die Idee gekommen, den Kaffee wie eine Farbe zu benutzen, die mit dem Pinsel aufgetragen wird. Stattdessen gieße ich den Kaffee auf das Papier. Beim Gießen entsteht jedes Mal eine andere Form, von der ausgehend ich ihn mit einem Holzstäbchen über das Papier führe. Ich empfinde das als eine sehr lebendige Arbeit, die viel Achtsamkeit erfordert für das, was geschehen will. Wenn das Papier sich nach einigen Minuten zu wellen beginnt, kommt der spannendste Teil der Arbeit. In den Vertiefungen sammelt sich mehr Kaffee, den es daran zu hindern gilt auszubrechen und vom Blatt zu laufen. So entsteht jeweils ein inspirierender Dialog. Auch wenn ich eine Arbeit als fertig empfinde, muss ich sie noch eine Weile im Auge behalten. Das Papier kann sich immer noch einmal wellen, da der Kaffee darauf stehen bleibt, was bedeuten kann, dass ich mit einem Papiertaschentuch etwas Kaffee aufsaugen muss, wo sich zu viel sammelt. Dann bleibt die Arbeit über Nacht zum Trocknen liegen. Es kann bis zu zwölf Stunden dauern bis sie vollständig trocken ist. Erst im getrockneten Zustand offenbart ein Bild seine Kraft. 

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°44 WINDING

Ich bemerkte recht schnell, dass auch in den Coffee Paintings - so wie in allen meinen Arbeiten - zum Ausdruck kommt, was mich tief innen beschäftigt. In den Coffee Paintings kommt meine innere Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie zum Ausdruck. Jedes Einzelne ist eine emotionale Momentaufnahme meiner Auseinandersetzung mit den sich überschlagenden Nachrichten, Erlebnissen, Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen und Träumen in dieser Zeit.

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°43 BLOOD

Die Coffee Paintings spiegeln mir meinen inneren Prozess, der sich bereits beim Gießen des Kaffees andeutet. Indem ich mein Inneres nach außen bringe und ihm damit die Erlaubnis gebe, sich zu verwandeln, tragen mich die Bilder durch die Zeit. Denn inmitten von Stillstand,  Ungewissheit, Schicksalsschlägen und Isolation wurde gleichzeitig mein Fokus auf etwas Neues in meiner Arbeit gelenkt, das mich stärkt und mir Hoffnung schenkt.

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°35 movie consciousness

Ich bin der Überzeugung, dass nichts jemals frei von Bedeutung ist. Mögen Dinge oder Ereignisse auch ihre eigentliche Bedeutung verlieren, so erhalten sie je nach Betrachtung oder Verarbeitung eine neue Identität. Diese Verwandlung wird in den Coffee Paintings sehr deutlich sichtbar. Ein Rest Kaffee, zunächst ein Getränk, wird zum Medium auf Aquarellpapier, dadurch zum Katalysator von Gefühlen und Gedanken für mich, in der Folge zum Kommunikationsmittel mit anderen.

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°50 Enttäuschung

Den Betrachtenden steht es frei, auf welche Weise sie sich davon berühren lassen möchten. So wandelt sich die Arbeit im Anschauen erneut und wandelt vielleicht auch etwas in dem Menschen, der schaut. Es macht vielleicht Mut, über das Eigene, dem steten Wandel Unterworfene nachzudenken, sich darauf einzulassen und Hoffnung zu schöpfen. Und mit zeitlichem Abstand betrachtet sehe ich, was sich in mir und in der Welt gewandelt hat seit dem Moment seiner Entstehung.

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°72 Levels of Personality

Es ist nun fast zwei Jahre her, seit ich mit den Coffee Paintings eine weitere Möglichkeit gefunden habe, mich auszudrücken. Gleich im ersten Jahr, im September 2020, konnte ich sie im Rahmen der ART Kreuzberg zeigen. Bis Mai 2021 sind insgesamt 72 Bilder entstanden. Danach war auch bei mir vorübergehend die Luft raus wegen der anhaltenden Einschränkungen, der Aussichtslosigkeit neuer Projekte und der Suche nach alternativen Einnahmequellen. Meine Ausstellung in Bautzen hing eineinhalb Jahre unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zumindest haben sich die Mitarbeitenden des dort ansässigen Oberverwaltungsgerichts täglich daran erfreuen können.

 

 

 

 

 

Coffee Painting N°51 Zwischenreich

Umso glücklicher war ich, als ich von der Jury der Leipziger Kunstmesse einstimmig ausgewählt wurde, an der berühmten Sammler-Messe im März 2022 mit den Coffee Paintings teilzunehmen. Im November kam dann leider die Absage.

 

Ich freue mich jedoch, dass sie ab 21. April 2022 im Bundesfinanzministerium im Vorraum der Cafeteria für mehrere Monate zu sehen sein werden. Wie es ansonsten weitergeht, weiß ich noch nicht. Ich fühle mich wie in einer Art Zwischenreich. Aber wie immer ist Aufgeben keine Option. Besonders jetzt nicht, da wir alle aufs neue gefordert sind.

 

Danke fürs Lesen.

Danke fürs Teilen.

 

Bis zum nächsten Mal,

herzlichst,

 

Petra Froese

 

(Titelbild Coffee Painting N°33 in memoriam m)

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Vera (Dienstag, 01 März 2022 22:00)

    Als großer Fan der Coffee Bilder stehe ich oft davor und bin ich immer wieder beeindruckt und überrascht wie viele Interpretationen sie je nach Moment und Stimmung bieten.
    Danke für diese neue Kunstform!